Praktische Ethik - Konkretes Handeln kritisch hinterfragen
I. Argumentation in der
praktischen Ethik
Praktische Ethik ist die Anwendung ethischer
Theorien auf konkrete Probleme. Von besonderer Bedeutung ist dabei die Art und Weise der
Argumentation. Natürlich muß jeder Teilnehmer an einer Diskussion über ein praktisches
ethisches Problem einen Standpunkt einnehmen. Für seinen "Gegner" geht es
darum, diesen Standpunkt anzugreifen. Dies kann auf unterschiedliche Weise erfolgen:
Kritik der zugrunde liegenden ethischen Theorie:
Man versucht dem "Gegner" nachzuweisen, (a) daß die zugrundeliegende Theorie
nicht konsistent ist, d.h. in sich widersprüchlich ist, (b) daß sie konsistent ist,
jedoch ihre universelle Gültigkeit angezweifelt werden kann (z.B. theologische Ethiken),
oder (c) daß die Folgerungen aus der Theorie der moralischen Intuition widersprechen
(manchmal der Fall bei utilitaristischen Theorien).
Nachweis der Inkonsistenz in der Anwendung der
Theorie:
Das Prinzip der Universalisierbarkeit ethischer Grundsätze (z.B. Kants kategorischer
Imperativ) verlangt, daß gleichgeartete Fälle durch die Theorie auch gleich bewertet
werden. Deshalb versucht man häufig fiktive Fälle zu konstruieren, die der Struktur des
fraglichen moralischen Problems entsprechen. Ziel ist es, den "Gegner" dazu zu
bringen, daß er für den konstruierten Fall eine andere Bewertung zugesteht. Dadurch
widerspricht er dem obigen Grundsatz und ist gezwungen seinen Standpunkt neu zu
formulieren um die Inkonsistenz seiner Theorie zu vermeiden.
Kritik an den empirischen Voraussetzungen:
Im Gegensatz zu ethischen Theorien oder metaethischen Fragestellungen, spielen in der
praktischen Ethik in der Regel empirische Aspekte eine große Rolle. Fragen zu moralischen
Problemen der Gentechnik oder der Transplantationsmedizin können ohne genauere Kenntnis
der Fakten nicht adäquat diskutiert werden. Darum kann eine Kritik eines moralischen
Standpunkts auch bei den empirischen Voraussetzungen ansetzen.
Begriffsanalysen:
Manche Theorien der praktischen Ethik erkaufen sich ihre Konsistenz auf Kosten einer
eindeutigen Begrifflichkeit. So müssen Theorien über die (Nicht-)Zulässigkeit von
Abtreibungen oder Sterbehilfe den Begriff "Leben" eindeutig definieren. Ist dies
nicht der Fall, bildet dieser grundlegende Begriff einen Angriffspunkt für
"Gegner".
"Slippery Slope" - Argumente:
"Slippery Slope" oder auch "Dammbruch" - Argumente versuchen
aufzuzeigen, daß eine Problemlösung, die akzeptabel erscheint, durch die Natur des
Menschen zu unakzeptablen Folgen führt (Argument: Ein Arzt, der bei unheilbar Kranken im
Endstadium der Krankheit Sterbehilfe leistet, indem er die lebenserhaltende Maschine
abschaltet, wird abstumpfen und mit der Zeit auch aktive Sterbehilfe leisten, was einem
Mißbrauch Vorschub leistet. / Ähnlich: Zulassung der Tötung schwerstbehinderter
Säuglinge > Frage: Was ist als Schwerstbehinderung anzusehen?).
II. Themen der praktischen
Ethik
u.a.: Abtreibung, Medizinische Ethik
(Transplantationen, Tod, Sterbehilfe), Rechte von Tieren, Umweltethik (Artenschutz),
Wirtschaftsethik (Armut, Hunger), Sexualethik (Homosexualität, Vergewaltigung in der
Ehe), Verantwortung, Freie Meinungsäußerung (Pressefreiheit, Sexismus, Pornographie),
Rassismus, Strafe.
III. Literatur
Peter Singer: Praktische Ethik (reclam)
[äußerst umstritten, aber auch äußerst lesenswert, da er seinen
utilitaristischen Ansatz konsequent zu Ende denkt]
Hugh La Follette (ed.): Ethics in Practice. An Anthology.
Blackwell
Julian Nida-Rümelin (Hrsg): Angewandte Ethik. Ein
Handbuch
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