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Aristoteles (384 - 322 v.Chr.)

Aristoteles stellt in der Natur und dabei insbesondere auch in der Welt der Pflanzen und Lebewesen detaillierte Beobachtungen an, die er in umfassende Klassifizierungen umsetzen konnte (z.B. ist sein oberstes Prinzip der Einteilung der Lebewesen das Vorhandensein oder Nichtvorhandensein von rotem Blut). Als Beispiel für seine genauen Beobachtungen, die er zusammen mit den Berichten von Fischern und Jägern im Detail festhielt, möge die Beschreibung eines Wels dienen:

"Unter den Flußfischen gibt sich das Männchen des Glanis (Wels) viel ab mit der Brut. Das Weibchen nämlich schwimmt nach dem Laichen davon, das Männchen dagegen steht an einer Stelle, an der sich besonders viele Eier gesammelt haben, als Wächter darüber, ohne sonst eine Hilfe bieten zu können, als daß er die kleinen Fische hindert, die Keimlinge zu rauben. Und dies macht er vierzig bis fünfzig Tage so, bis die Jungen genügend ausgewachsen sind, daß sie den anderen Fischen entwischen. Die Fischer erkennen seinen Standort, wenn er wacht, da er, um die Fische zurückzuscheuchen, schnauft und schnalzt und brummt. Und so liebevoll bleibt er bei den Eiern, daß die Fischer ihn immer mit tiefen Wurzeln, an denen die Eier hängen, in ganz seichtes Wasser emporziehen können: er verläßt die Eier dennoch nicht, sondern wird, wenn es so trifft, in seinem Bemühen, die heranschwimmenden Fischchen zu fassen, eine leichte Beute der Angelschnur; hat er jedoch schon einmal auf die Angel gebissen und kennt er diese, so verläßt er immer noch nicht die Brut, sondern zerbeißt mit dem schärfsten Zahn die Angelschnur und verdirbt diese."

Diese Beschreibung zeigt schon, daß so eine Arbeit nicht von einer Person allein geleistet werden konnte. Es handelte sich wahrscheinlich vielmehr um Forschergruppen, die Aristoteles zuarbeiteten und die von seinen Gönnern, insbesondere Alexander dem Großen, finanziell gefördert wurden.

Bei dem großen Systematiker Aristoteles wird deutlich, wie stark die antike Naturwissenschaft, oder besser Naturphilosophie, von metaphysischen Voraussetzungen geprägt ist. Was auf den ersten Blick wie eine empirische Untersuchung im modernen Sinne aussieht, ist eingebunden in den Rahmen einer primär spekulativen Naturphilosophie. Aus diesem Grund kommt man bei Aristoteles nicht um das metaphysische Gerüst herum, wenn man seine wissenschaftliche Vorgehensweisen verstehen will. In gewisser Hinsicht findet sich bei ihm die erste ausgearbeitete Wissenschaftskonzeption.

Nach Aristoteles ist die höchste Erkenntnis die Philosophie, weil sie es mit den allgemeinen Prinzipien der Wirklichkeit zu tun hat. Die Zusammenhänge, die der Philosoph zu erkennen strebt, haben dabei objektiven Charakter, und daher ist seine Philosophie eine Form des Objektivismus (im Ggs. zu modernen Ansätzen, die von Deutungen innerhalb eines theoretischen Rahmens ausgehen).

Das Thema der aristotelischen Metaphysik ist: (1) Der Begriff des Seienden als solcher und die höchsten Prinzipien, denen Seiende unterworfen sind (Ontologie), (2) De Begriff des höchsten Seienden als des letzten Prinzips der Bewegung in der Welt und der Ordnung der Welt (Theologie).

Die Ontologie hat es mit dem Seienden jenseits aller spezifischen Unterschiede zu tun. Das Seiende im grundlegenden Sinne ist die Substanz. Die Substanz ist dasjenige, dem Bestimmungen zukommen und das selbständig existiert, während die Bestimmungen– die "Akzidentien"– nur an Substanzen, also nicht selbständig, vorhanden sein können. Substanz in einem zweiten Sinn ist bei Aristoteles dasjenige, was allen Individuen einer Art gemeinsam ist und dem allgemeinen Begriff entspricht (Þ Wesen) Anders als Plato hat Aristoteles die Wesenheit nicht als etwas von den konkreten Seienden getrenntes aufgefaßt, wie es bei Platons "Ideen" der Fall ist. Dieses Allgemeine ist die Form, die allen Seienden einer Art gemeinsam ist und die sich durch Abstraktion aus der Wahrnehmung von Seiendem gewinnen läßt. Aus diesem Grund geht Erkenntnis von der Wahrnehmung konkreter Seiender aus, aber nur das Allgemeine kann Gegenstand des Wissens bzw. der Wissenschaft sein. Hier ist also der Ort, an dem die empirische Erkenntnis bei Aristoteles seinen Platz hat. Zugleich bedeutet die Methode der Abstraktion die Abwendung von der metaphorisch geprägten Sprache der Vorsokratiker.

Eine wichtige Rolle in der Aristotelischen Lehre vom Seienden spielt der Begriff der Ursache, wobei Aristoteles vier Ursachen unterscheidet:

materielle Ursache causa materialis
Formursache causa formalis
Wirkursache causa efficiens
Zweckursache causa finalis

Die erste Ursache (causa materialis) meint den Stoff oder die Materialien, die man für etwas braucht (z.B. Blechteile etc. für ein Auto). Die zweite Ursache (causa formalis) weist auf die Form oder das Aussehen hin, das ein Ding bekommen soll (Entwurf des Designers etc.). Die dritte Ursache (causa efficiens) betrifft den praktischen Antrieb oder die konkrete Ausführung (Montagearbeiter). Die vierte Ursache (causa finalis) steht bei Aristoteles im Mittelpunkt und beschreibt den Sinn und Zweck der vorhandenen Sache.

Diese vier Ursachen lassen sich auch unterscheiden bei Seienden, die nicht Erzeugnisse menschlicher Tätigkeit sind. Die causa finalis ist dann innere Zweckmäßigkeit oder Zielgerichtetheit (z.B. Entwicklung eines Organismus), die Aristoteles als "Entelechie" bezeichnet. Die gesamte Natur ist bei Aristoteles letztendlich auf Gott als höchsten Zweck bezogen. Die moderne Naturwissenschaft interessiert sich dagegen nur noch für die Wirkursache (Kausalität).

Die aristotelische Naturphilosophie konzentriert sich auf die Untersuchung der Prinzipien des veränderlichen Seienden und ist nach heutiger Auffassung auch Metaphysik In dieser Naturphilosophie geht es um die Natur als Inbegriff der veränderlichen bzw. bewegten Seienden. Veränderung ist Entstehen oder Vergehen, Bewegung ist quantitativ (Änderung der Größe), qualitativ (Änderung von Eigenschaften) oder räumlich. Sie erfolgt in Raum und Zeit. Einen leeren Raum hielt Aristoteles für unmöglich. Das, was wir heute als leeren Raum ansehen, hielt er auch für durch Seiendes ausgefüllt.

Die Naturphilosophie des Aristoteles ist teleologisch– alles Geschehen ist auf das Göttliche als leitendes Prinzip bezogen und daher Zweckprinzipien unterworfen. Diese zweckorientierte Anschauung findet sich heute nur noch in Wissenschaften, die sich mit menschlichem Handeln beschäftigen (Þ Intentionalität).

Der spekulative Charakter der aristotelischen Naturphilosophie läßt sich gut nachvollziehen, wenn man die Zusammenhänge zwischen einigen seiner "naturwissenschaftlichen" Theorien betrachtet:

Die Gestirne dachte sich Aristoteles an Kugelschalen ("Sphären") befestigt. Auf die äußerste Sphäre des Kosmos wirkt der göttliche erste Beweger ein, dessen Einfluß durch die Vermittlung der Gestirnseelen die übrige Welt erreicht . Daraus resultierte der plausibele Glaube, daß die Stellung der Planeten Einfluß auf das irdische Geschehen habe (Astrologie).

Die Unterscheidung einer sublunaren und einer supralunaren Welt führte zu Unterscheidung von zwei Arten natürlicher Bewegung: linearer terrestrischer und kreisförmiger "himmlischer Bewegung". Aristoteles nahm an, daß gewaltsame Bewegung (z.B. Wurf) nur so lange andauert, als ihre Ursache wirkt (Þ Stein schleudernde Hand führt zu Kompression der Luft, die Stein nach Verlassen der Hand weitertreibt). Er kannte Begriff der Trägheit nicht, der der modernen Mechanik zugrundeliegt und mußte so eine während des gesamten Bewegungsablaufs wirkende Ursache fordern [Trägheitssatz: Jeder Körper behält seine Geschwindigkeit nach Betrag und Richtung bei, wenn er nicht durch Kräfte gezwungen wird, seinen Bewegungszustand zu ändern].

Den Arten natürlicher Bewegung ordnete Aristoteles gewisse Elemente zu. AbwärtsbewegungÞ Erde,Wasser; Aufwärtsbewegung Þ Feuer, Luft; Kreisbewegung Þ Äther, aus dem die Gestirne bestehen (postuliert aus systematischen Gründen). Element im Sinne der Aristotelischen Physik heißt etwas, das nicht mehr in anderes aufgelöst werden kann, in das sich aber anderes auflösen läßt.

Gemäß der für ein Element natürlichen Bewegung gibt es für jedes Element einen natürlichen Ort, nach dem es strebt und zu dem es sich hinbewegt, wenn es nicht gehemmt wird. Hier wird wieder die teleologische Grundauffassung bei Aristoteles deutlich.

Der Kampf gegen die auf Aristoteles zurückgehende Annahme einer Natur-Teleologie sollte zu den wichtigsten Anliegen der Naturwissenschaft und der Philosophie der frühen Neuzeit werden. Aristoteles hielt das Universum für lebendig und konnte daher auch in einzelnen Dingen Züge erblicken, wie sie sich bei Lebewesen finden, während sich die Physik des 17.Jahrhunderts auf mechanistische Erklärungen beschränkte.

Nach Aristoteles kann jedes der ersten vier Elemente in ein anderes, ihm entgegengesetztes übergehen; das fünfte hat dagegen keinen Gegensatz, weil es keinen Gegensatz zur Kreisbewegung gibt. Aus diesem Grund kann es auch nicht vergehen, woraus Aristoteles die Ewigkeit der Welt ableitete.

Die Welt ist einzig und hat, weil sich die Gestirne auf konzentrischen Kreisbahnen bewegen, einen Mittelpunkt– die Erde, die im Zentrum des Alls ruht. Diese Auffassung wurde durch Ptolemäus (ca.100-170 n.Chr.) ausgebaut und erst im 16.Jh. von Nikolaus Kopernikus (1473-1543) durch das gültige heliozentrische System ersetzt. Das Weltall dachte Aristoteles sich als Kugel. Die Gestirne sind an Kugelschalen angebracht, mit denen sie sich bewegen; da die Sphären von Gestirngeistern bewegt sein sollen, konnte Aristoteles auch die Gestirne in gewissem Sinne als göttlich bezeichnen. Außerhalb des Kosmos gibt es weder Raum noch Zeit, da diese nicht unabhängig von räumlichen und zeitlichen Seienden bestehen.

Fast noch interessanter als seine Philosophie ist die einzigartige Wirkungsgeschichte seiner Philosophie. Nach seinem Tode (322 v.Chr.) wurde die Akademie von seinen Schülern und Nachfolgern fortgeführt und wurde erst im Jahre 529 n.Chr. vom römischen Kaiser Justinian geschlossen. Der Niedergang der aristotelischen Philosophie in der Antike setzte allerdings schon vor der Zeitenwende ein. Grund dafür war zum einen die zunehmende Spezialisierung unter seinen Nachfolgern, die nicht mehr durch ein übergreifendes System zusammengehalten werden konnte, und auch der Verlust der aristotelischen Schulbibliothek. Die Aristotelische Philosophie erlebte in der Antike noch einmal eine Renaissance als im Neuplatonismus (3.Jh. n.Chr.) versucht wurde Platon und Aristoteles zu versöhnen. Nach dieser Zeit wurde Aristoteles vor allem im arabischen Raum studiert und weiterentwickelt, während im christlichen Abendland nur mehr Logik und Kategorienlehre bekannt waren, während insbesondere die naturphilosophischen Arbeiten verloren schienen. [Poetik Þ Umberto Eco, "Der Name der Rose"]

Mit der Rückkehr der aristotelischen Schriften nach Europa im 12.Jahrhundert begann eine große Aristoteles Renaissance, die jedoch nicht unproblematisch wahr, da einige seiner Ansichten der christlichen Lehre widersprachen, wodurch es auch zu einigen Aristoteles-Verboten durch die Kirche kam. Die großen Scholastiker Albertus Magnus (ca.1193-1280) und Thomas von Aquin (1225-1274) machten es sich zur Aufgabe Aristoteles mit dem Christentum zu versöhnen. Der Thomismus wurde von Papst Leo XIII. 1879 zur offiziellen Auffassung der römischen Kirche ernannt und wird als solche an ihren Schulen und Hochschulen gelehrt. Hierin steckt auch schon die Problematik der aristotelischen Philosophie am Beginn der Neuzeit. Dadurch daß Aristoteles zur alleinigen geistigen Autorität wurde– ein Philosophiestudium war im 14./15.Jh gleichbedeutend mit einem Studium der Schriften des Aristoteles– , wurde sie zum Dogmatismus und behinderte über lange Zeit hinweg den Fortschritt in den Wissenschaften und in der Philosophie selbst.

Man muß jedoch die Wirkung Aristoteles' in erster Linie positiv sehen: Bis über die Schwelle vom 17. zum 18.Jahrhundert, für mehr als zwei Jahrtausende also, werden Philosophie und Wissenschaften teils durch die Rezeption und Weiterentwicklung, teils durch die Kritik, jedenfalls durch Aristotelische Gedanken geprägt.. Zum Teil direkt, zum größeren Teil indirekt über die lateinischen Übersetzungen werden viele Begriffe des Philosophen zum festen Bestandteil der Wissenschaftssprachen, sogar der Umgangssprachen in Europa und den angrenzenden Ländern. Ebenso gehen die Namen zahlreicher Disziplinen und vor allem ihre Grundbegriffe und viele Argumentationsmuster auf Aristoteles zurück. Er befaßte sich mit Physik, Biologie, Meteorologie, Logik und vielem mehr. Wo er sich nicht geäußert hat blieb für sehr lange Zeit eine Lücke. So konnte sich die Chemie, die keine aristotelische Disziplin ist, erst über den Umweg über die Alchemie als Wissenschaft etablieren.

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